Netzsperren sind ein scharfes Schwert bei Urheberrechtsverletzungen – bevor sie verhängt werden können, müssen alle anderen Mittel ausgeschöpft werden.
Das machte der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag bei der Verhandlung über eine Klage von Wissenschaftsverlagen gegen die Deutsche Telekom deutlich. (Az. I ZR 111/21). «Eine Sperrung ist das letzte Mittel», betonte der Vorsitzende Richter Thomas Koch. Es bestehe die Gefahr, dass auch der Zugang zu legalen Inhalten gesperrt würde. Ein Urteil verkündet der BGH am 13. Oktober.
Die Verlage aus Deutschland, den USA und Großbritannien beanspruchen eine Sperre von Internetseiten der Dienste «LibGen» und «Sci-Hub», weil dort Artikel und Bücher ohne Zustimmung der Rechteinhaber veröffentlicht wurden. Das Oberlandesgericht München wies die Klage ab: Die Verlage hätten sich zunächst an den in Schweden ansässigen Host-Provider der beiden Internetdienste wenden müssen. Host-Provider sind Internetanbieter, die ihre Server für die Inhalte anderer Nutzer bereitstellen.
Nach dem Telemediengesetz kann eine Sperrung verlangt werden, wenn das Recht am geistigen Eigentum verletzt wurde. Die Sperrung muss aber verhältnismäßig sein. Netzsperren sind umstritten: Zum einen können auch Angebote blockiert werden, die legal im Netz stehen, zum anderen sind Sperren beim Domain Name System (DNS) leicht zu umgehen.
Hohe Hürden für Kläger
Der BGH entschied schon 2015, dass Internetprovider prinzipiell zur Sperrung von Webseiten verpflichtet werden können. Diese Sperrpflicht wurde allerdings eng gefasst und an hohe Hürden für Kläger geknüpft.
Kernfrage im aktuellen Fall ist: War es den Verlagen zuzumuten, zunächst den Host-Provider in Schweden in Anspruch zunehmen? Koch zufolge wäre etwa eine einstweilige Anordnung gegen den die Hostingfirma möglich gewesen, um Namen und Anschriften der Betreiber zu ermitteln.
Der Anwalt der Verlage betonte hingegen, mit einem Namen sei bei Piraten-Webseiten nichts erreicht, da deren rechtswidriges Geschäftsmodell darauf beruhe, dass Identitäten verschleiert würden. «Die Verletzer sind nicht greifbar.» Sie würden sich auch bei einer mit beträchtlichen Kosten verbundenen Ausschöpfung der Rechtswege und nach vielen überflüssigen Korrespondenzen allen Maßnahmen der Vollstreckung entziehen. Er warnte davor, bei Betreibern, die «außerhalb der Rechtsordnung agieren», an Formalitäten festzuhalten.
Der Telekom-Anwalt wiederum verwies darauf, dass auch mit DNS-Sperren die Verbreitung von Inhalten nicht unterbunden werde. Auch habe der Internetzugangsanbieter keinen Einblick in die Inhalte der Webseiten. Zudem sei unklar, wie lange und für welche Werke die Sperren gelten sollten.
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