Tech-Milliardär Elon Musk gibt seinen Widerstand auf und will die rund 44 Milliarden Dollar teure Übernahme des Online-Netzwerks Twitter nun doch vollziehen. Überraschend erklärte er sich bereit, den von ihm ursprünglich gebotenen Preis von 54,20 Dollar je Aktie zu bezahlen.
Musk versuchte eigentlich seit Monaten, aus dem von ihm selbst angestoßenen Deal auszusteigen. Doch Twitter wollte ihn unter Verweis auf den bindenden Kaufvertrag nicht gehen lassen. Für Mitte Oktober ist eigentlich ein Gerichtsprozess in dem Streit angesetzt. Ob es dazu nun noch kommen wird, ist nach Musks plötzlichem Sinneswandel unklar.
Der Tesla-Chef bestätigte sein Nachgeben in einer Pflichtmitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC. Damit bahnt sich eine spektakuläre Wende im Konflikt um die Übernahme an. Allerdings bleibt etwas Ungewissheit – so wies Musk gegenüber der SEC darauf hin, dass seine Offerte von Finanzierungszusagen abhänge. So bleibt eine kleine Hintertür offen. Sollten Kredite und Beteiligungen von anderen Geldgebern platzen, mit denen er den Mega-Deal realisieren will, könnte es doch noch einen Ausweg für ihn geben. «Es ist noch keine beschlossene Sache», warnte das Investmenthaus MKM Partners am Mittwoch. Es gebe keine Garantie, dass Musk den Deal abschließe.
UN: Nutzer müssen sicher sein vor Hassrede
Nach der Absichtserklärung von Tech-Milliardär Elon Musk zum Kauf von Twitter haben die Vereinten Nationen die Notwendigkeit für den Kampf gegen Hassrede betont. «Für Social-Media-Unternehmen ist es sehr wichtig sicherzustellen, dass sie über Richtlinien verfügen, die die Förderung von Gewalt oder Hass vermeiden», sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric am Mittwoch. Dies schütze die Nutzer. UN-Generalsekretär António Guterres habe aber keinen besonderen Einblick in die Pläne von Musk mit Twitter.
Twitter-Aktie stark gestiegen
Der Starunternehmer selbst schrieb nach seiner Kehrtwende lediglich, der Kauf von Twitter würde für ihn den Weg zu «X, der App für alles, beschleunigen». Und zwar um drei bis fünf Jahre, ergänzte er in einem Tweet. Was genau hinter seiner Vision für eine Universal-App steckt, blieb unklar. Twitter bestätigte in einem knappen Statement, das Schreiben mit dem erneuerten Angebot Musks erhalten zu haben. Das Unternehmen beabsichtige, die Transaktion wie geplant zum Abschluss zu bringen. Die Twitter-Aktie stieg am Dienstag um 22 Prozent auf 52 Dollar, gab am Mittwoch vorbörslich aber schon wieder leicht nach. Laut «New York Times» traut die Firma Musk nicht recht und erwägt, den Abschluss der Übernahme richterlich überwachen zu lassen.
Musk hatte die Kaufvereinbarung vom April eigentlich im Juli für ungültig erklärt, weil Twitter angeblich falsche Angaben zur Anzahl von Fake-Accounts auf seiner Plattform gemacht habe. Das Unternehmen pochte jedoch auf die Einhaltung des Kaufvertrags und zog vor Gericht. In den vergangenen Tagen waren als Teil der Prozessunterlagen für Musk zum Teil peinliche Chat-Unterhaltungen unter anderem mit potenziellen Investoren öffentlich geworden. Bei der Gerichtsverhandlung, die eigentlich in rund zwei Wochen in Delaware beginnen soll, könnten ihm weitere Blamagen drohen.
Musks Anwaltsteam habe den Eindruck gewonnen, dass sich das Verfahren zu seinen Ungunsten entwickele und die Richterin sich nach den ersten Anhörungen zur Vorbereitung des Prozesses bereits auf die Seite von Twitter gestellt habe, berichtete der Finanzdienst Bloomberg am Dienstag unter Berufung auf einen Insider. Um aus dem milliardenschweren Deal herauszukommen, hätte Musk dem Unternehmen schwerwiegende Vertragsverstöße nachweisen müssen.
Die Sache mit dem Whistleblower
Die genauen Gründe für Musks Umdenken blieben aber vorerst unklar. Viele Experten bewerteten seine Chancen bei dem Gerichtsverfahren von Anfang an als ungünstig. Musk versuchte monatelang, angeblich falsche Angaben von Twitter zur Zahl von Spam- und Fake-Accounts als Bruch der Übernahmevereinbarungen darzustellen. Doch ob das vor Gericht reichen würde, gilt als zweifelhaft.
Im August hatte Musk mit neuen Argumenten beim Versuch nachgelegt, die milliardenschwere Übernahme von Twitter abzublasen. Dabei brachte der Tesla-Chef Anschuldigungen eines Whistleblowers ins Spiel, der Twitter unter anderem mangelnden Schutz von Nutzerdaten und andere Sicherheitsschwächen vorwarf. Aufgrund dieser «ungeheuerlichen» Mängel sei Musks Kaufangebot für Twitter als ungültig einzustufen, schrieben seine Anwälte damals an das Unternehmen.
Bei dem Whistleblower handelt es sich um Peiter Zatko, den Ex-Sicherheitschef von Twitter. Er war im Januar gefeuert worden und reichte später eine Beschwerde bei der US-Börsenaufsicht ein. Der IT-Experte, der auch unter seinem aus früheren Hacker-Zeiten stammenden Pseudonym «Mudge» bekannt ist, machte der Twitter-Führung schwere Vorwürfe und bezeichnete die Online-Plattform bei einer Senatsanhörung als «tickende Bombe an Sicherheitsschwachstellen».
Politische Brisanz
Sollte Musk Twitter doch kaufen, käme das kriselnde Unternehmen in den Besitz ausgerechnet des Mannes, der dessen Führung die letzten Monate fast unablässig öffentlich kritisiert und Zweifel am Wert der Firma verbreitet hat. Musks Plan sieht allerdings ohnehin vor, Twitter von der Börse zu nehmen und ein neues Management aufzustellen. Würde der reichste Mensch der Welt die Fäden bei der Online-Plattform ziehen, wäre dies auch politisch brisant. Spannend ist etwa, ob Twitter den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump dann wieder aufnimmt.
Musk betonte von Anfang an, dass es ihm bei der Twitter-Übernahme nicht um Geld, sondern um die Stärkung der Redefreiheit auf der Plattform gehe. Trumps Verbannung von Twitter im Zuge von dessen Sympathiebekundungen für Anhänger, die am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washington gestürmt hatten, bezeichnete Musk bei einem Interview im Mai bereits als «moralisch falsch und einfach nur dumm». Eine Rückkehr könnte für Trump mit Blick auf eine mögliche Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2024 gerade rechtzeitig kommen.
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