Nutzer und Nutzerinnen sozialer Netzwerke wie Facebook durften sich dort vor Jahren Pseudonyme für ihre Accounts zulegen. Die sogenannte Klarnamenpflicht zur Verwendung des richtigen Namens sei für Altfälle unwirksam, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.
Hintergrund für die zeitliche Unterscheidung ist eine Gesetzesänderung. Ein Kläger und eine Klägerin bekamen mit dem Urteil in letzter Instanz Recht, nachdem zuvor am Oberlandesgericht München noch Facebook gesiegt hatte.
Die obersten Zivilrichter Deutschlands erachten es als ausreichend, dass sich Menschen mit ihrem Klarnamen registrieren. Der Vorsitzende Richter des dritten Zivilsenats, Ulrich Herrmann, sprach von einem Innenverhältnis. Im Außenverhältnis – also zum Beispiel beim Posten von Beiträgen, Kommentieren oder beim Beitreten zu Gruppen auf dem Portal – sei es Facebook zumutbar, dass das unter Pseudonym geschehe.
Accounts gesperrt
Das Netzwerk hatte die Accounts eines Mannes und einer Frau 2018 gesperrt, weil ihre Fantasienamen gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen. Das Oberlandesgericht München, das zuletzt über die Klagen geurteilt hatte, hatte Facebook Recht gegeben.
Hintergrund der unterschiedlichen Sichtweisen ist eine neue Rechtslage: Das deutsche Telemediengesetz verpflichtete Anbieter, die Nutzung ihrer Dienste «anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist». Das alte EU-Recht stand dem nicht entgegen. Doch seit Mai 2018 gilt in der Europäischen Union ein neues Datenschutzrecht (Datenschutz-Grundverordnung), das ausdrücklich keine solche Bestimmung enthält.
Das Münchner Oberlandesgericht hatte argumentiert, Deutschland habe damals auf europäischer Ebene vergeblich versucht, ein Recht auf pseudonyme Nutzung in die EU-Verordnung hinein zu verhandeln. Der deutsche Paragraf sei nun im Sinne des Unionsrechts auszulegen.
Die BGH-Richter haben die Fälle nun aber nach alter Rechtslage entschieden, weil die Konten vor Inkrafttreten der neuen EU-Regeln angelegt worden waren. «Daher ist die unmittelbare Reichweite unserer Entscheidung auf Altfälle begrenzt», sagte Richter Herrmann.
Wie künftig unter den neuen rechtlichen Voraussetzungen entschieden wird, bleibt abzuwarten. Unter Umständen muss sich auch mal der Europäische Gerichtshof übergeordnet mit der Thematik befassen.
Klarnamen gegen Hass im Netz
Eine Sprecherin des Facebook-Mutterkonzerns Meta teilte nach der Verkündung mit: «Wir nehmen die heutige Entscheidung zur Kenntnis, die ausdrücklich auf einer überholten Rechtslage basiert.» Facebook sei eine Plattform, auf der sich Menschen mit ihrem echten Namen miteinander verbinden und austauschen können. «Die Nutzung von echten Namen trägt zur Authentizität auf der Plattform bei.»
In den aktuellen Nutzungsbedingungen von Facebook heißt es unter anderem, Nutzerinnen und Nutzer sollten hier denselben Namen verwenden, den sie auch im täglichen Leben gebrauchen. Die Regel soll die Hemmschwelle für Hassrede und Mobbing erhöhen. «Wenn Personen hinter ihren Meinungen und Handlungen stehen, ist unsere Gemeinschaft sicherer und kann stärker zur Rechenschaft gezogen werden.»
Nun sind beleidigende oder diskriminierende Äußerungen im Netz kein Kavaliersdelikt und nicht zuletzt im Zuge der Corona-Pandemie wieder vermehrt in der Kritik. Dennoch sagte Christof Stein, Pressesprecher des Bundesdatenschutzbeauftragten, der Deutschen Presse-Agentur: «Anonymität im Netz ist ein hohes Gut, das man nicht so leicht opfern sollte.» Sie stehe auch nicht dem Kampf gegen Hass, Hetze und Mobbing entgegen. Zum einen könne man auch bei Pseudonymen die Menschen dahinter finden. Zum anderen kämen derartige Aussagen von vielen Accounts, die überhaupt nicht anonym sind. «Das sind keine Fragen von Anonymität und Datenschutz, sondern von mehr Strafverfolgung.»
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