Das harte Vorgehen von Facebook gegen die umstrittene «Querdenken»-Bewegung ist über Parteigrenzen hinweg weitgehend begrüßt worden.
Vereinzelt wurde die bislang beispiellose Löschaktion des US-Konzerns aber auch in Frage gestellt. So befürwortete die SPD-Vorsitzende Saskia Esken im Anschluss der Spitzenrunde zur Bundestagswahl 2021 im SWR-Fernsehen die Entscheidung von Facebook. Gleichzeitig kritisierte sie aber, dass Plattformen ihrer Verantwortung noch nicht vollständig nachkämen, volksverhetzende und andere strafbare Inhalte zu entfernen.
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) sprach von «guten Nachrichten». Mit diesen Sperrungen dürfte es für die Szene erheblich schwieriger werden, ihre Propaganda zu verbreiten, und der weitere Zulauf aus der Bevölkerung dürfte erschwert werden, sagte der Minister der dpa.
Facebook hatte am Donnerstagabend zahlreiche Konten, Gruppen und Seiten entfernt, die der umstrittenen «Querdenken»-Bewegung zugeordnet werden. Es sei weltweit die erste gezielte Aktion, die sich gegen eine Gruppierung richte, die eine «koordinierte Schädigung der Gesellschaft» (Coordinated Social Harm) hervorrufe, erklärte Facebook-Sicherheitsmanager Nathaniel Gleicher.
Betroffen sind auch die Accounts von «Querdenken»-Gründer Michael Ballweg. Er kündigte an, gegen die Löschung rechtlich vorzugehen. «Wir haben eine Abmahnung an Facebook Ireland Limited versendet», erklärte er am Freitag. Statt Belege für behauptete Verstöße zu benennen, habe Facebook einen neue Tatbestand geschaffen («Neue Arten von bedrohlichen Netzwerken»), um die friedliche Regierungskritik kriminalisieren zu können, erklärte «Querdenken711».
Die Aktion richtet sich gegen «Querdenker» auf Facebook selbst und Instagram. Es soll sich um «knapp 150 Konten, Seiten und Gruppen» handeln, teilte das Unternehmen mit. Facebook-Manager Gleicher warf den «Querdenkern» vor, in koordinierter Weise wiederholt gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook verstoßen haben. «Hierzu zählen die Veröffentlichung von gesundheitsbezogenen Falschinformationen, Hassrede und Anstiftung zur Gewalt.»
Die Nicht-Regierungsorganisation «Gesellschaft für Freiheitsrechte» (GFF) erklärte, das neue «Verfahren» von Facebook zur Sperrung «schädlicher» Inhalte werfe viele Fragen auf. «Zwar mögen die Sperrungen im konkreten Fall gerechtfertigt sein. Doch sehen wir es aus der Perspektive der Meinungsfreiheit überaus kritisch, dass sowohl die Kriterien als auch das Verfahren dieser Sperrungen völlig intransparent sind», sagte der GFF-Vorsitzende Ulf Buermeyer der dpa.
Der Berliner Jurist betonte, Facebook trage als eine der wichtigsten Plattformen für den Diskurs im Netz eine große Verantwortung. Daher dürften Entscheidungen, die die praktische Reichweite der Meinungsfreiheit massiv beeinflussen, nicht allein Netzwerken wie Facebook überlassen werden. Die GFF forderte den Gesetzgeber auf, in der neuen Legislaturperiode ein digitales Gewaltschutzgesetz zu schaffen. «Damit meinen wir ein gerichtliches Verfahren, in dem Accounts zeitweise oder dauerhaft gesperrt werden können, mit denen rechtswidrige Inhalte ins Netz gestellt wurden.»
Der CDU-Digitalpolitiker Thomas Jarzombek sagte, das Sperren von Inhalten durch private Anbieter sei «immer eine zweischneidige Sache». «Einerseits ist es natürlich richtig, dass offenkundige Falschinformationen im Gesundheitsbereich nicht verbreitet werden. Andererseits gilt Artikel 5 des Grundgesetzes, der die Meinungsfreiheit garantiert.» Es stelle sich die Frage, nach welchen Kriterien Inhalte gesperrt würden und wie die Gefahr einer Willkür hierbei ausgeschlossen werden könne. «Marktbeherrschende Anbieter wie Facebook sind hier in einer besonderen Rolle. Sie müssen ihre Verfahren und Kriterien vollständig transparent machen.»
Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) erklärte, es sei zulässig, dass Soziale Netzwerke von ihren Nutzerinnen und Nutzern die Einhaltung bestimmter Community Standards verlangen, die über strafrechtliche Vorgaben hinausgehen. Das sei auch höchstrichterlich festgestellt worden. «Dabei muss das Grundrecht der Meinungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer und das Gebot der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.» Wer sich in diesen Rechten verletzt fühle, könnte gerichtlich dagegen vorgehen. «Das gilt auch für diesen Fall.»
Franziska Brantner, Spitzenkandidatin der Grünen in Baden-Württemberg, betonte, dass Meinungsfreiheit in Deutschland ein hohes Gut sei. Jetzt ginge es aber darum zu prüfen, ob das gefährdende Inhalte seien. «Unserer Meinung nach geht es vor allem darum, dass Facebook konsequent gegen antisemitische, volksverhetzende oder rassistische Inhalte vorgeht und sie gelöscht werden.»
Kein Verständnis für das Löschen der «Querdenken»-Profile zeigte Martin Hess, AfD-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg für die Bundestagswahl. Es sei nicht akzeptabel, dass hier von privaten Unternehmen Meinung im Netz zensiert werde. «Deshalb wollen wir auch die Abschaffung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes», erklärte er gegenüber dem SWR. Durch diese Eingriffe sei die Demokratie gefährdet.
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