Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer müssen sich an die «Gemeinschaftsstandards» halten, sonst droht ihnen die Sperrung – aber darf das Netzwerk einfach selbst festlegen, welche Inhalte erwünscht sind und welche nicht? Für Deutschland entscheidet das bald der Bundesgerichtshof (BGH).
Das Urteil soll in ein bis drei Wochen verkündet werden, wie der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann heute nach der Verhandlung zweier Fälle in Karlsruhe sagte.
Geklagt haben eine Nutzerin und ein Nutzer, die nach abschätzigen Äußerungen über Muslime und Zugewanderte zeitweise gesperrt wurden. Was sie geschrieben hatten, wurde von Facebook gelöscht.
Die Gemeinschaftsstandards sind Regeln, die das Netzwerk weltweit aufgestellt hat, um etwa diskriminierende oder anstößige Inhalte zu verhindern. Niemand soll sich auf der Plattform ausgegrenzt oder bedroht fühlen, so die Philosophie. Nicht alle Äußerungen, die gelöscht und geahndet werden, verstoßen gegen deutsches Recht. Die Frage ist, ob Facebook damit zu weit geht und die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit seiner Nutzerinnen und Nutzer verletzt.
Wer sich über Facebook vernetzen will, muss den Nutzungsbedingungen mit den Gemeinschaftsstandards zustimmen. Der entscheidende Punkt sei, ob die Nutzer unangemessen benachteiligt würden, sagte Herrmann.
Die BGH-Richter gehen davon aus, dass sich Facebook als privates Unternehmen ebenfalls auf Grundrechte berufen kann – etwa auf die Berufsfreiheit. Denn wenn der Umgangston auf der Plattform verroht, besteht die Gefahr, dass sich Nutzer und Werbepartner abwenden. Herrmann sagte, der Senat neige daher dazu, Facebook grundsätzlich das Recht zuzugestehen, Beiträge zu löschen. Das würde bedeuten, dass es im Einzelfall immer auf die konkreten Umstände ankommt.
Keine vorherige Anhörung der Betroffenen
Sehr kritisch hinterfragten die obersten Zivilrichter, dass es zwar nachträglich die Möglichkeit zur Beschwerde gibt, aber keine vorherige Anhörung der Betroffenen. Sie warfen die Frage auf, ob das nicht zumindest vor einer drohenden Sperre vorgesehen sein müsste.
«Das ist vollständig unpraktikabel», sagte der Vertreter von Facebook, BGH-Anwalt Christian Rohnke. Tag für Tag gebe es Hunderte Fälle, und jede neue Beleidigung ermutige Gleichgesinnte. Ein drohender Shitstorm müsse ganz schnell gestoppt werden können.
Der BGH-Anwalt der beiden Kläger, Herbert Geisler, sagte, es müsse die Gelegenheit geben, sich zu verteidigen. Eine Verrohung wolle niemand, aber das obliege nicht Privaten aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung. «Dafür ist der Gesetzgeber da.»
In Deutschland gibt es seit 2017 das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, um Hasskriminalität und Falschnachrichten wirksamer zu bekämpfen. Es verpflichtet die Betreiber sozialer Netzwerke, gegen strafbare Inhalte vorzugehen. Dazu gehören zum Beispiel Volksverhetzung und üble Nachrede. Maßstab ist also das deutsche Strafgesetzbuch. Vor dem BGH geht es um Facebooks eigene Regeln (Az. III ZR 179/20 u.a.).
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