Der weltgrößte Online-Händler Amazon rechnet nach Rekorderlösen in der Corona-Krise mit einem Abflauen des Shopping-Booms im Internet.
Der Konzern stieß Anleger am Donnerstag nach US-Börsenschluss mit einer überraschend verhaltenen Prognose für das laufende Vierteljahr vor den Kopf. Die Aktie geriet nachbörslich unter Druck und fiel zum Handelsstart am Freitag zunächst um rund acht Prozent. Kein optimaler Einstand für Vorstandschef Andy Jassy, der das Amt Anfang Juli von Konzerngründer Jeff Bezos übernahm.
Im zweiten Quartal profitierte Amazon zwar weiter vom Trend zum Einkauf im Internet und florierenden Cloud-Diensten, verfehlte aber die Markterwartungen. Der Konzern steigerte den Nettogewinn im Jahresvergleich um 50 Prozent auf 7,8 Milliarden Dollar (6,6 Mrd Euro). Die Erlöse wuchsen um 27 Prozent auf 113,1 Milliarden Dollar. Im Heimatmarkt Nordamerika lag das Wachstum bei 22 Prozent.
Angesichts der ohnehin hohen US-Verbraucherausgaben und der vorgezogenen Rabattschlacht «Prime Day» hatten Experten mit besseren Geschäften gerechnet. Für Enttäuschung sorgte besonders die Prognose für das laufende Vierteljahr. Der Konzern stellte Erlöse bis zu 112 Milliarden Dollar in Aussicht, was einer deutlichen Abschwächung des Wachstums auf maximal 16 Prozent entspricht – für Amazons Verhältnisse bescheiden. Finanzchef Brian Olsavsky betonte in einer Konferenzschalte, dass die Messlatte durch die starken Ergebnisse im Vorjahr besonders hoch liege.
Verbraucher in vielen Ländern hatten damals ihre Einkäufe aus Furcht vor Ansteckungen und wegen wochenlanger Lockdowns ins Internet verlagert. Die deutsche Branche rechnet jedoch trotz der Warnsignale vorläufig nicht mit einem Ende des Booms. Der Onlinehandel werde wahrscheinlich auch im laufenden Quartal wieder um rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum wachsen, sagte der Sprecher des Bundesverbandes E-Commerce und Versandhandel Deutschland, Frank Düssler. Für 2021 rechnet der Verband in Deutschland mit E-Commerce-Umsätzen von mehr als 100 Milliarden Euro.
Amazon-Finanzchef Olsavsky sagte, angesichts zunehmender Corona-Impfungen dürften die Leute wieder stärker im klassischen Einzelhandel einkaufen gehen – wenngleich die Delta-Variante des Virus inzwischen wieder für neue Ungewissheit sorgt. Amazons Investoren müssen sich jedenfalls auf Abstriche einstellen. Allerdings wies die Bilanz auch Stärken auf. So erhöhte Amazons lukrative Cloud-Plattform AWS, die vielen Unternehmen und Apps IT-Dienste und Speicherplatz im Netz bietet, die Erlöse um 37 Prozent auf 14,8 Milliarden Dollar.
Zudem entwickelt sich das Geschäft mit Online-Werbung zu einer immer wichtigeren Ertragsstütze. Die Sparte, in der die entsprechenden Einnahmen ausgewiesen werden, steigerte den Umsatz um 87 Prozent auf 7,9 Milliarden Dollar. Es war das letzte volle Vierteljahr, in dem Bezos als Vorstandschef die Geschäfte führte. Am 5. Juli reichte der Top-Manager das Zepter an Jassy weiter, der zuvor für die Cloud-Dienste verantwortlich war. Als Vorsitzender des Verwaltungsrats dürfte Bezos‘ Einfluss allerdings groß bleiben.
Ärger bekam Amazon unterdessen in Europa: Die Luxemburger Datenschutzbehörde belegte das Unternehmen mit einer Strafe von 746 Millionen Euro, wie Amazon im ausführlichen Quartalsbericht bekanntgab. Die Begründung der Behörde CNPD sei, dass Amazon gegen die Europäische Datenschutzgrundverordnung verstoßen habe. Der Konzern wies den Vorwurf zurück. Man habe keine Kundendaten an Dritte weitergegeben.
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