Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP hat nach Einschätzung von Entscheidungsträgern bisher keinen Digitalisierungsschub ausgelöst. Das zeigt eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach im Auftrag der ESCP Business School Berlin. Darin vertreten vier von fünf der 500 befragten Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft (83 Prozent) die Ansicht, dass die Regierung aus SPD, Grünen und FDP beim digitalen Wandel bislang nicht besser vorangekommen ist als zuvor die große Koalition.
Ende 2021, kurz nach der Bundestagswahl, glaubten noch 82 Prozent der Entscheidungsträger an einen Digitalisierungsschub durch die Ampel-Regierung. Bereits damals war ein Großteil von ihnen (94 Prozent) der Auffassung, dass Deutschland in vielen Bereichen der Digitalisierung hinterherhinke. Der aktuellen Umfrage zufolge glauben das inzwischen sogar 96 Prozent.
Die Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher erklärt sich den Verzug der Regierung unter anderem mit unvorhersehbaren Krisen. Durch den Angriffskrieg auf die Ukraine sei 2022 etwa die Energieversorgung als wichtiges Thema auf die Tagesordnung von Politikerinnen und Politikern gerückt. «Dadurch sind andere Themen in den Hintergrund geschoben worden, die eigentlich in ihrer Agenda einen großen Raum einnahmen», sagte Köcher bei einer Pressekonferenz – so auch die Digitalisierung.
Professor: Kein Mangel an innovativen Ideen
Dass technologischer Fortschritt aber unabdingbar ist, glauben nicht nur Führungskräfte. Bei einer Bevölkerungsumfrage zum gleich Thema vertraten 77 Prozent der Befragten die Auffassung, dass Digitalisierung in Zukunft eine große bis sehr große Rolle in Deutschland spielt. Vor allem in der Verwaltung (80 Prozent), im Gesundheitsbereich (72 Prozent) und in der Industrie (70 Prozent) können den Umfrageergebnissen zufolge wichtige Fortschritte durch die Digitalisierung erzielt werden.
Für eine «digitale Verwaltungswende» müssen dem Hochschulprofessor Philip Meissner von der ESCP Berlin zufolge alle Dienstleistungen des Staates digital und am besten auf einer zentralen Plattform angeboten werden. Auch im Gesundheitssystem berge die Digitalisierung riesige Chancen, etwa durch digitale Krankschreibungen. An innovativen Ideen mangelt es Meissner zufolge nicht, zu häufig aber an der Umsetzung: «Es reicht also nicht Spitzenforschung zu fördern, wir müssen auch darauf achten, dass diese Forschungsergebnisse dann übertragen werden in marktfähige Produkte und in Unternehmen.»
Die FDP hatte die Digitalisierung in den Mittelpunkt ihres Bundestagswahlkampfes im Jahr 2021 gerückt. Dass diese Partei die Digitalisierung tatsächlich vorantreiben würde, glaubten damals 29 Prozent – der höchste Wert unter allen Parteien. In der aktuellen Befragung hingegen sind es nur noch 16 Prozent. 11 Prozent der Bevölkerung sehen die CDU und CSU als treibende Kraft in Digitalisierungsfragen, die SPD sehen 6 Prozent in dieser Rolle.
Nicht alle Bevölkerungsschichten verbinden den Umfrageergebnissen zufolge vorrangig Positives mit der Digitalisierung. Während höhere soziale Schichten bei Digitalisierung vor allem an Zukunft (89 Prozent) und Chancen (82 Prozent) denken, verbindet jeder zweite Befragte aus einer niedrigen Schicht (51 Prozent) den Begriff mit Arbeitsplatzverlust und viele mit Überwachung (76 Prozent).
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